Montag, 7. Januar 2013

Der bewusste Realitätsverlust


"Die Strategie ist der Hammer; ich bin gerade frohlockend durch den Regen geradelt, weil es ja nicht Winter in Potze sondern Frühling in Paris ist! (...) an meinem Vortrag für die UN arbeiten, für den ich den Preis "beste Nachwuchswissenschaftlerin 2013" erlangen werde. Lerne mit Hingabe, Fantasie und dem Wissen die Welt zu verbessern. Dann wird der Abspann ein Erfolg. Ich liebe dich und den bewussten Realitätsverlust."

Bekomme ich als Antwort auf meine nächtliche "Ich kann nicht schlafen, Hilfe, was fang ich bloß mit meinem Leben an" Sms von meiner Schwester, die mich mit meinen eigenen Mitteln zu heilen versucht.

Hab ich ihr doch neulich erst den Trailer von "XY Jones - Schokolade nicht nur zum Frühstück" oder den  sagenhaften 3D Animationsfilm "Das große Grabbeln" gezeigt. Mal ehrlich das Leben ist so viel einfacher, wenn man sich ein paar Paranoias zulegt und sich vorstellt 24,7 von einem Kamerateam verfolgt zu werden!

Kleiner Einblick: Freitagmorgen. Wecker klingelt um 7.00. Ich hab mir wieder viel zu viel vorgenommen und muss erst um 12 in der Uni sein. Trotzdem lasse ich ihn weiter klingeln und statt ganz normal aufzustehen, duschen zu gehen, frühstücken und ab in die Uni brauchen wir Action! Das Leben ist Action!

Freitagmorgen Klappe die Erste:
Ich hüpfe aus dem Bett, als würde die Wohnung brennen, ohne meinen Morgenmantel geht nichts (haben die Ladies in den englischen Filmen auch immer an). Ich koche Teewasser, weil Teetrinken einfach schöner und gesünder aussieht als Kaffee. Backstage rauche ich die erste Zigarette und trinke billigen Aldi Kaffee auf dem Balkon. Macht ja nichts. Das Kamerateam filmt den Wasserkocher und die Teeuhr.
Dann suche ich nach dem Trockenfutter, Müsli mit Obst und einem Gütesiegel für besonders toll angebaute Lebensmittel und sowieso die ganze Vollkornleier von wegen macht länger satt und so werden in kleinen "by the way" Untertiteln im Bild eingeblendet, wenn schon Schleichwerbung dann nur biologisch abbaubar.
Ich hüpfe unter die Dusche und schauminiere was das Zeug hält, nebenher gröle ich völlig schief Melissa Etheridge "Like the way I do" und schließe das ganz Duschszenario mit Genesis "I can't dance" ab, weil ich ja unter der Dusche nur riskieren würde mir alle Knochen zu brechen, wenn ich jetzt auch noch tanzen würde.
Weiter im Text, wie war das? Unikram erledigen lacht mich die AlibiErinnerungsSowiesoTotalUnnötige To Do Liste vom Schreibtisch aus an (...) Zeitraffer (Als würden die großen Stars am Filmhimmel lernen). Dokumente öffnen. Schließen. Fingernägel lackieren, sieht fabelhaft aus, ist ein Bisschen Ladylike und außerdem kann ich leider mit lackierten Fingernägeln keinen Kuli mehr anfassen der sinnvolle Ausarbeitungen auf's Papier bringt.
Irgendwann zwischen all dem Lari Fari geht's ja dann wohl auch mal ans Eingemachte: Das Tagesoutfit.
Seit Sir Hennes und Lord Mauritz im letzten Sommer gesehen haben, dass dank Miss Jones auch Bauchwegschlüppis in jeden gut geführten Haushalt gehören, gibt es die Teile in der H&M Filiale meines Vertrauens auch in schick (wobei das eher optimistisch ausgedrückt für modisch am Rande der Akzeptanz bedeutet), also erstmal die minimal transformierte Wampe in den Unsichtbarkeitsumhang mit Spitze.
Mit Rundbürsten in Pony und Deckhaar gehe ich drei Pflichtrunden durch die Wohnung. Soll ja auch jede Kamera einen schönen Shot von der Lady mit den provisorischen Lockenwicklern, die sich wahlweise auch durch Becksdosen ersetzen lassen, einfangen.
Fertig für die Straße klacker ich ritualisch den Weg zur Bahn, ich höre sie schon hinter mir. Für die Kamera und ein paar Statisten hörbar murmel ich noch "Wenn ich mich gleich umdrehe ist das bitte nicht die 10". Ich drehe mich um und es ist die 10. Ich fange an zu rennen und rufe den Passanten zu, es ginge um Leben und Tod. So halten Sie mir die Türen auf. Ich stolpere in die Bahn und fühl mich toll, sexy Stress und eine Midlifecrisis die mich in diesen psychischen Totalschaden Hollywoodquatsch stürzt. Und das mit 19!

Manchmal muss man sich vorstellen, dass alles was man tut in seinem Leben nur ein weiterer Schritt zur Unsterblichkeit ist und wir damit die Menschheit retten. Menschen die uns nicht weiterbringen sind Statisten und können gefeuert werden. Dann castet man halt eine neue Crew, aber meistens arbeiten wir alle in unserem kleinen Streifen life schon mit den Besten der Besten.

Vielleicht solltet ihr bei dieser dubiosen Theorie diverse Schießereien außer Acht lassen und euren Patenonkel nicht "Don Corleone" nennen und ihn darum bitten euren Dozenten abgehackte Pferdeköpfe ins Bett zu legen, aber Alles in Allem sind die Sorgen und der Stress nur ein Zeichen dafür, dass wir lebendig sind, dass unser Leben aufregend genug ist irgendetwas pulsieren zu lassen! In diesem Sinne Cheers! 

Over und Out.