Sonntag, 16. Dezember 2012

Der Tag an dem ich meine Flauschesocke verlor

Nach einer Woche Unistress und glücklicherweise überwundener Novemberkrise (die viel mehr endete, weil der November ja auch nicht unendlich sein kann, als dass ich irgendwie dagegen angekämpft hätte) belohnte man sich mit einer heißen Tasse Lumumba auf dem Weihnachtsmarkt! 
Klingt soweit ganz nett. Noch viel netter klingt, dass man circa die Fläche eines halben Dixie Klo's zum Stehen hatte und eine zauberhafte Weihnachtskapelle es irgendwie schaffte sich durch die Menschen zu drängeln und den Slogan "Geht ins Ohr, bleibt im Kopf" so wörtlich, wie nur irgend möglich in die Tat umzusetzen. Man hatte quasi nach einer halben Stunde, die nicht mal die Möglichkeit bot, sich den Weihnachtsmarkt schön zu trinken, die Faxxen dicke und beschloss einen taktisch klugen Ortswechsel vorzunehmen: Vom Weihnachtsmarkt in irische Kneipen! So einen Übergang hätte man nicht mal in der Standarddiskothek für Studenten hier gespielt, ich meine die, in der auf Rihanna die Sportfreunde folgen, um danach zwei Songs von den Black Eyed Peas mit den Ärzten zu krönen! Wir wussten schon, dass kann nur gut gehen! 

Wir gehen eine lange Treppe hinunter, wie in einen Folterkeller, doch die Atmosphäre unten ist nett, so nett, dass mir die Tränen in die Augen schießen, kann auch sein, dass das vom fehlenden Sauerstoff und den leicht transpirierenden Menschen hier liegt, die sich noch weniger Platz pro Kopf als auf dem Weihnachtsmarkt teilen. 

Wir setzen uns zu einem Ehepaar mittleren Alters. Bis dahin hab ich nur die Frau gesehen, sie grinst meine Begleitung an und fängt an den wohlbekannten Schwung aus ihrer Jugend herunterzurattern. Derweil werde ich gefragt "Du sag mal, weshalb genau schickst du uns immer - egal was wir schreiben - aber auch wirklich immer den alten Opa mit Glatze zurück?" "Ach wisst ihr", bölke ich um die Musik, die raunende Menge, den allgemeinen Kneipenlärm und zu guter letzt die in ihre Jugend zurückversetzte Mitt'40igerin am Tisch zu übertönen "MIT GLATZE SIND WIR ALLE GLEICH!"

Keine Reaktionen darauf. Ich drehe mich um und sehe, dass der Gatte unserer trostlosen Tischgesellschaft zurückgekehrt ist. ich mustere ihn und entdecke nicht zu letzt seinen kahlrasierten, glänzenden Schädel und seines Blickes nach zu Urteilen, habe ich mal wieder die Draußen mit der Drinnenstimme verwechselt. 

Flucht in den Raucherraum. Ab geht die Lutzie, ist ja nicht schon stickig genug hier, denken wir uns und sind im stinkenden Nebel der nächtlichen Lungenteerung verschwunden! Alles was ich erkenne sind rote Haare hinten rechts in der Ecke an einem Tisch, ich bin nicht sicher, ob es ein Spiegel ist oder ob da tatsächlich jemand sitzt. Höchste Zeit das rauszufinden, über Haarfarbenmäßiges Fachgepplenkel mitten in der Nacht steige ich in das Gespräch ein und meine Intuition sagt mir, dass ich mich nicht so angeregt mit meinem Spiegelbild unterhalten würde. Der restliche Abend  verläuft (zumindest in meiner Erinnerung), wie ein riesiges Glas "Schwartau Samt Marmelade" Ich würde sagen Himbeere-Zitrone, eine galante Mischung aus bitter und süß und in meinem Gedächtnis so klein püriert, dass ich nicht garantieren kann, wie chronologisch das Folgende verlaufen ist:  

Ein dicker Japaner, der auf meine Frage hin eine Dancesession a la Oppan Gangnam Style startet, ich fass es nicht, das muss der Originalkerl sein, ich raste aus. Leider kann ich kaum Zeit mit ihm verbringen, weil ich in schon 2 Minuten mit einer Serviette auf dem Kopf, die den eleganten Brautschleier miemt, Tim heirate, man sagte mir wir lieben uns, also kein Ding. Statt Eheringen gibt es Leuchtarmbänder, scheinbar bin ich mit mehreren verheiratet, gegen 6 Uhr morgens sind es 5 Armbänder an meinem rechten Arm. Ich genieße die wenigen Stunden mit meinem Ehemann, soll es doch morgen früh um 9 schon nach Australien gehen, "Melbourne oder Sydney" fragt Christoph mich, natürlich ist mir das egal, aber ich entscheide "Sydney". "Melbourne ist gebucht, morgen geht's los". Ich seh schon wir verstehen uns.

Irgendwann muss ich Hunger bekommen haben, sagen mir die Spinatflecken auf meiner Strumpfhose. Börek für 1,00 statt 2,90 waren dank meiner als total intelligent einzustufenden Fähigkeit mich als Aussätzige zu geben die einzige Sparmaßnahme des Abends, So let's go: Dreist gewinnt! Weil ich den großen Börek aber eh nicht schaffe, nutze ich das spinatlastige Teiggebäck als Freundefinder und verteile großzügig, leicht wankend mein Essen vor dem Irish Pub. 

Neben meinem Sinn für richtig oder falsch, merke ich, dass ich meine rechte Flauschesocke verloren habe, vermutlich beim Hochzeitswalzer auf dem Tisch, der hoffentlich einzige Moment diesen Abend, der Anlass bot die Schuhe auszuziehen. 

Die letzten Fetzen - zwei Frauen - ein dicker Kerl im Unterhemd - die Rückbank eines runtergerockten VW Polo - die Haustür - der Schlüssel - Mein Bett.

Over und Ende. 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen